Lärmschutz: Flüsterbremse bleibt beste Lösung

Mitarbeiter zeigt Flüsterbremse

Lärmschutz: Flüsterbremse bleibt beste Lösung

Anfang März wurde in der Fachpresse über die angeblich „mangelnde Funktionsfähigkeit von Verbundstoffbremssohlen unter den Bedingungen des skandinavischen Winters“ berichtet.

Anfang März wurde in der Fachpresse über die angeblich „mangelnde Funktionsfähigkeit von Verbundstoffbremssohlen unter den Bedingungen des skandinavischen Winters“ berichtet. Es wurde spekuliert, vereinzelte Berichte über Probleme, die in Nordschweden bei speziellen Wetterlagen im Winter aufgetreten sein sollen, könnten zum Aus für die als Flüsterbremse bekannte Verbundstoff-Bremsssohle in ganz Europa führen. 

Hier die Fakten sowie eine kurze Erläuterung aus Sicht von DB Cargo, worum es bei der Diskussion tatsächlich geht.

Der Schienengüterverkehr ist das umweltfreundlichste Transportmittel.  Aber um Wachstum zu ermöglichen, muss er leiser werden. In Deutschland fahren beispielsweise im Rheintal schon heute täglich mehr als 200 Güterzüge, davon mehr als 100 nachts. Massive Lärmbeschwerden von Anwohnern sind die Folge. Die Bürger beschweren sich nicht nur über eine Belästigung, sondern machen laute Güterzüge für massive gesundheitliche Probleme verantwortlich.  Die Notwendigkeit der Lärm-minderung wird auch im "Impact Assessment" der European Railway Agency (ERA) aus dem Jahr 2018 aufgezeigt und hat zur Änderung der "TSI Noise", in der die Technischen Spezifikationen für die Interoperabilität der Wagen mit Blick auf Lärm geregelt werden, Anfang 2019 geführt.

Die Lärmminderung kann über Verbundstoff-Bremssohlen, die ein Aufrauen der Räder und damit die wesentliche Ursache der Lärmentstehung verhindern, erzielt werden. Der Lärm wird somit an der Quelle reduziert (glattes Rad auf glatter Schiene), die Verbundstoffsohle führt zu einer Halbierung des wahrgenommenen Lärms. Seit 2007 werden alle Neuwagen in Europa mit der Verbundstoffsohle vom Typ K und – seit der Zulassung 2013 – Bestandswagen primär mit der Verbundstoffsohle vom Typ LL ausgestattet.  Die etablierte Graugusssohle kann 1:1 gegen die LL-Sohle ausgetauscht werden. Anders als bei der K-Sohle, muss dafür das Bremssystem nicht umgebaut werden. Deshalb ist die LL-Sohle das Mittel der Wahl für Bestands-Güterwagen. Die Kosten für die Umrüstung auf LL-Sohle liegen dadurch mit rund 1.700 Euro pro Vierachser um rund zwei Drittel niedriger als beim Einsatz der K-Sohle. Die Umrüstung der Flotten in Europa – (insgesamt rund 400 000 Güterwagen) auf LL-Sohle stellt damit eine ökonomisch noch beherrschbare Option zur deutlichen Lärmminderung dar.

DB Cargo verfügt mittlerweile über etwa 59.000 leise Güterwagen mit Verbundstoffsohlen. Diese Wagen haben mit der Verbundstoff-Bremse mittlerweile etwa 4,9 Mrd Wagenkilometer in Europa zurückgelegt – das entspricht etwa dem zehnfachen Hin- und Rückweg zum Mars. In dieser Zeit sind in allen Ländern außer Schweden und Finnland - von wo Probleme gemeldet wurden – unter Beachtung der UIC-Anwendungsrichtlinien für Verbundstoffsohlen keine Winterprobleme in der von Schweden aufgezeigten Art aufgetreten.

Fazit: Die Verbundstoffsohlen sind wintersicher und erlauben für 99,5 Prozent der europäischen Verkehre im wettbewerbs-intensiven Verkehrsmarkt eine deutliche und ökonomisch noch darstellbare  Lärmminderung. Die Verkehre Schwedens mit Europa machen rund 0,5 Prozent aller Verkehre Europas aus. Deshalb muss eine Lösung gefunden werden, die für Schweden machbar ist, die die Verkehre Schwedens mit Europa sichert und die gleichzeitig die noch bezahlbare und im übrigen Europa wintersichere Option „Verbundstoff-Sohle“ nicht infrage stellt.

Die von Schweden als präferierte Option vorgeschlagene und in der medialen Diskussion aufgegriffene Scheibenbremse kann keine Lösung für Europa und den riesigen Bestand vorhandener Güter-wagen sein. Auch die Scheibenbremse arbeitet mit Verbundstoff-Bremsbelägen, ihre Wintertauglichkeit ist nicht empirisch untermauert. Mit Umrüstkosten von 20 – 30 000 Euro je Wagen – also rund 10 bis 12 Milliarden Euro europaweit – würde dies aber insbesondere weite Bereiche des europäischen Schienengüterverkehrs im intermodalen Wettbewerb in Frage stellen. Die 0,5 Prozent schwedischer Verkehre dürfen nicht die 99,5 Prozent im restlichen Europa gefährden.

Vielmehr gilt es, das Problem „abzuschichten“, auf den eigentlichen Kern zu konzentrieren und dafür adäquate Lösungen zu finden. Im Sommer gibt es auch in Nordschweden kein Winterproblem. Im Winter gibt es ein solches auch kaum in Südschweden. Und auch in Nordschweden treten die behaupteten Probleme im Winter nur bei speziellen Wetterlagen auf. Für diesen speziellen Fall müssen dann betriebliche Regeln gefunden werden, z.B. dann langsamer zu fahren, periodisch die Bremsanlage frei zu bremsen oder auf bestimmte Zugkompositionen aus Wagen mit Verbundstoffsohlen und (in Schweden) solchen mit Graugusssohlen zu achten. In Analogie: wenn auf Autobahnen Blitzeis auftritt, dann muss auch langsamer gefahren oder ggf. sogar angehalten werden. Es würde sicherlich nicht darüber diskutiert, dass der LKW weiter mit 80 km/h fahren muss und dafür dann die europaweite Ausrüstung mit Spike-Reifen in Betracht zu ziehen wäre.

Wir sind uns sicher, dass wir gemeinsam als Schienengüterverkehrs-Branche für die aufgezeigten Winter-Konstellationen Lösungen finden werden, die den Sicherheitsanforderungen genügen und die eisenbahntechnische Vernetzung Schwedens mit dem übrigen Europa gewährleisten, ohne durch exorbitante Investitions-Notwendigkeiten weite Teile des europäischen SGV zu gefährden. 

Mehr zum Thema Lärmschutz

Nehmen Sie jetzt Kontakt mit unserer Expertin auf.

Dr. Bettina Wunsch-Semmler

Head of Transport Policy and Compliance Officer DB Cargo